REISETAGEBUCH #3

"Im Februar 2022 besuchten mich drei ehemalige Kolleginnen aus Nürnberg in Rüsselsheim, um sich meine Heimatstadt einmal genauer anzuschauen. Nach einem Rundgang über das Mainvorland, den Verna-Park, einem Besuch in der Festung und dem Museum sowie einem Gang durch die Innenstadt und das Opel-Altwerk, bat ich alle um einen Erfahrungsbericht, in dem sie beschreiben, wie sie Rüsselsheim wahrgenommen haben. Lest selbst."

Liebes Reisetagebuch,

wie habe ich bei meinem ersten Besuch die Stadt Rüsselsheim wahrgenommen?

Nun ich muss gestehen, für mich war Rüsselsheim immer untrennbar mit dem Namen Opel verbunden. Ich selbst bin in Nürnberg geboren und lebe auch bis heute dort, aber mein Vater ist ein echter Rheinhesse. Schon mein Großvater arbeitete vor Jahrzehnten als Dreher bei Opel in Rüsselsheim. Und so ging auch mein Vater zunächst bei Opel in die Lehre und kehrte Jahre danach noch einmal als Werkstudent dorthin zurück, um in den Semesterferien etwas Geld zum Studium dazu zu verdienen.

Deshalb haben mich die Opelvillen, die Unternehmensgeschichte um Adam Opel im Stadtmuseum, sowie die langsam verfallenden gigantischen Werkhallen mit einem Schlag zurück in meine persönliche Vergangenheit geworfen. Wie in einem alten Film versuchte ich mir vorzustellen, wo wohl mein Großvater zusammen mit russischen Kriegsgefangenen in den Werkshallen arbeitete, bzw. wo mein Vater in seiner Zeit als Werksstudent Norbert Blüm bei einer seiner leidenschaftlichen Reden als junger Gewerkschaftler bei Opel lauschte. Rüsselsheim war viele Jahre Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens, es war Garant für ein gutes Leben mit einem sicheren Job und für bescheidenen Wohlstand für viele. Rüsselsheim ließ hoffen. Heute hingegen verspürt man von dieser Hoffnung auf etwas gutes Neues nicht allzu viel. Vielmehr scheint die Stadt darauf zu warten, von einem großen Investor wach geküsst zu werden.

Rüsselsheim ist mehr als Opel, Rüsselsheim ist aber auch nicht ohne Opel zu verstehen. Diese beiden auf den ersten Blick nicht vereinbaren Behauptungen zu einem Ganzen zusammen zu bringen, das ist eine große Aufgabe für Rüsselsheim. Während meines Besuches habe ich schon etwas von diesem Mehr gesehen, da war zum Beispiel die schöne Mainpromenade mit vielen schönen Kunstobjekten, mal eher historisch daherkommend wie der Leinreiter, mal witzig wie der dauerparkende Manta aus Beton. Aber auch der Verna-Park, charmant mit seinen romantischen Ecken, ist ein wundervoller Ort für kulturelles Miteinander, den ich bei einem weiteren Besuch bei etwas wärmerem Wetter einmal etwas länger besuchen werde, hoffentlich mit einem kleinen Konzert im Musik-Pavillon. Ich freu mich schon drauf.

- Gertrud